Einstiegsgehälter konkret

 Gehaltsstudien sind ein wichtiges statistisches Tool, um den generellen Trend des Gehaltsniveaus und die wirtschaftliche Entwicklung einer Branche einzuschätzen. Im konkreten Einzelfall helfen sie nicht immer weiter, dies trifft im Besonderen auf Jobeinsteiger zu.

60.000 Euro antworten viele Absolventen der Life-Sciences-Fächer auf die Frage nach ihrem Wunscheinstiegsgehalt. Wenn man sich die Gehaltsstudie des BIO Deutschland e.V. anschaut, scheint das auch kein komplett unerfüllbarer Wunsch zu sein. Die Leserschaft ahnt es schon: Nun kommt das große ABER: Aber nicht als Einstiegsgehalt – zumindest nicht für die Masse der Absolventen. Sicherlich, es gibt Absolventen, die 60.000 Euro als Einstiegsgehalt erhalten. Dies kann der Fall sein, wenn man gleich zu Beginn einen besonders guten Einstieg in eine Big Pharma Company schafft oder wenn man „zufällig“ an der Uni an einem Protein gearbeitet hat, das für die Biotech-Firma, bei der man sich beworben hat, auch gerade im Fokus steht und das Unternehmen einen deshalb „unbedingt“ haben will.

Noch mal ABER: Das trifft eben nicht auf jeden zu. Nun ist es leider so, dass wir alle einen Bias in der Wahrnehmung haben und uns immer genau an die 60.000 Euro-Fälle am besten erinnern und uns im Kopf herumschwirrt: „Man kann doch locker als Einstiegsgehalt 60.000 Euro verlangen, das kriegen die anderen doch auch.“ Um diesen Bias ein bisschen abzumildern und das Gesamtbild realistischer zu machen, folgen nun zwei ganz konkrete und repräsentative Beispiele für Jobeinstiege samt Gehaltsentwicklung.

Best Practice 1: Quality Control
Eine sehr schöne Einstiegsstelle ist die als Labormitarbeiter im QC-Labor Pharma. Eigentlich eine klassische Stelle für Laboranten und TAs, mittlerweile werden aber auch gerne Naturwissenschaftler mit Bachelor- oder Masterabschluss eingestellt, sofern sie im Rahmen ihres Studiums hinreichend praktische Erfahrung in der instrumentellen Analytik erworben haben. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt auf der Durchführung pharmazeutischer Analytik gemäß pharmazeutischen Prüfvorschriften und Arzneibuch mit Schwerpunkt auf HPLC und GC und GMP-gerechter Dokumentation.

Im vorliegenden Fall geht es um eine Master-Absolventin der Chemie, deren methodischer Schwerpunkt während ihrer Masterarbeit die HPLC war. Obwohl ihr die GMP-Erfahrung fehlte, konnte sie überzeugen und bekam eine wegen Elternzeitvertretung auf 18 Monate befristete Anstellung in einer großen Pharma-Firma. Das Jahresgehalt betrug 36.888 Euro brutto. Sie wollte die Stelle erst gar nicht annehmen, weil sie das Gehalt als zu niedrig empfand. Sie trat die Stelle dann doch an, da sie schon eine ganze Weile auf der Suche gewesen war und viele Absagen erhalten hatte – immer mit der Begründung, dass ihr die GMP-Erfahrung fehle.

Das ist genau der Moment, an der man die Perspektive wechseln muss: Hier bekam sie die Chance, GMP-Erfahrung zu sammeln UND 36.888 Euro zu verdienen. Beim Einstieg zählt nämlich nicht nur das Gehalt, sondern auch welche Opportunitäten die Position für die weitere Entwicklung der Karriere bietet. Die Möglichkeit, erste GMP-Erfahrung zu erlangen, stellt definitiv eine riesengroße Opportunität dar, denn GMP-Erfahrung ist eine Grundvoraussetzung, wenn man eine Karriere in der Pharmabranche anstrebt.
Als sie sich kurz vor Ablauf der befristeten Stelle wieder in den Bewerbungsprozess begab, bekam sie aufgrund der nun vorhandenen GMP-Erfahrung gleich mehrere Angebote: Sie entschied sich für eine Stelle mit Schwerpunkt Methodenentwicklung und -validierung HPLC in einem anderen Pharmaunternehmen und machte einen Gehaltssprung auf 45.600 Euro brutto im Jahr.

Best Practice 2: Quality Assurance
Beim zweiten Beispiel handelt es sich um ein Evaluationsprojekt zur Prüfung und Risikobewertung von Wirk- und Hilfsstoffen auf mögliche Bildung genotoxischer Verunreinigungen unter Berücksichtigung aller GMP-Regularien. Das Projekt war auf einen Zeitraum von 18 Monaten angelegt und es wurde für diesen Zeitraum zusätzliche Manpower benötigt. Es wurde schließlich ein Absolvent mit PhD in Chemie aufgrund seiner Kenntnisse in Synthese und Analytik eingestellt – obwohl er noch keine GMP-Erfahrung hatte.
Der Absolvent war zunächst sehr skeptisch. Hatte er wirklich promoviert, um nun mit einem Einstiegsgehalt von monatlich 3.500 Euro brutto zu starten – und dann auch noch mit einem befristeten Vertrag? Er wollte doch endlich weg von den befristeten Verträgen und endlich ankommen. Trotz aller Bedenken ergriff er die Chance. Er startete und arrangierte sich mit dem Jahresgehalt von 42.000 Euro brutto. In den 18 Monaten Projektdauer erlangte er nicht nur Industrie- und GMP-Erfahrung, er konnte das Unternehmen auch so sehr von sich überzeugen, dass er im Anschluss an das Projekt von dem Unternehmen einen unbefristeten Vertrag für eine andere Position im Bereich Quality Assurance angeboten bekam. Er griff zu und machte einen Gehaltssprung auf 55.200 Euro brutto Jahresgehalt.

Take Home Message
Natürlich soll sich niemand unter Wert verkaufen. Natürlich soll man angemessen bezahlt werden. Natürlich drückt sich über das Gehalt auch die Wertschätzung für die geleistete Arbeit aus. Natürlich möchte man als Uniabsolvent, dass die lange Zeit des Geldmangels während des Studiums endlich vorbei ist, und sich dies mit einem guten Gehalt auf dem Konto bemerkbar macht.

Das alles wird auch passieren. Nur beim Jobeinstieg sollte man keine zu großen Erwartungen haben, denn hier zählt sehr viel mehr: Die Position, die zur fachlichen Expertise und zu den Interessen passt. Das Unternehmen, das von den Unternehmenswerten- und der Unternehmenskultur zu einem passt. Und überhaupt: Erst einmal  die Welt der Industrie und Wirtschaft verstehen lernen. Der Rest kommt ganz schnell von allein. Versprochen!

Kontakt
Dr. Morna Gruber
Biologin & Geschäftsführerin
HOX Life Science GmbH,
morna.gruber@hox.de
www.hox.de

SIE MÖCHTEN KEINE INFORMATION VERPASSEN?

Abonnieren Sie hier unseren Newsletter